Das Kissing Spines Syndrom im Pferderecht
Das Pferderecht und das berüchtigte Kissing-Spines-Syndrom
(Pferderecht-Wissen.de) Das Landgericht Münster hat Ende des vergangenen Jahres in einem beachtenswerten und gut begründeten Urteil zum Problem des sogenannten „Kissing-Spines-Syndrom“ Stellung genommen. Mit Kaufvertrag vom 16.05.2003 hatte die Klägerin die 11-jährige Stute für Dressur- und Springprüfungen der Klasse E und A erworben.
Alsbald nach dem Pferdekauf kam es immer wieder zu Lahmheiten. In einer Röntgenuntersuchung 5 Monate nach Kaufdatum wurde ein „Kissing-Spines-Syndrom“ festgestellt. Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Anspruch genommene Beklagte verteidigt sich damit, dass das Pferd jedenfalls zum Zeitpunkt der Übergabe vollständig gesund gewesen sei. Die Stute sei von ihr häufig geritten worden, ohne dass eine tiermedizinische Behandlung erforderlich gewesen sei. Die Lahmheits- und Rittigkeitsprobleme des Pferdes seien vielmehr auf reiterliche Fehler der Klägerin und die damit verbundene falsche Einwirkung auf das Pferd zu begründen. Schließlich habe die Klägerin auf die angebotene Ankaufsuntersuchung verzichtet und sich selbst in einem unverbindlichen Test über zwei Wochen hin von der Gesundheit des Pferdes überzeugen können.
Sachverständiger bescheinigt Kissing Spines Syndrom
Der vom Gericht bestellte Sachverständige hat nach eingehender Untersuchung des Pferdes mit überzeugenden Gründen darzustellen gewusst, dass das Pferd unter dem sogenannten „Kissing-Spines-Syndrom“ erkrankt sei. Zwar hat der Sachverständige eine wahrnehmbare eingeschränkte Rittigkeit der Stute nicht feststellen können. Trotzdem kam er zu dem Ergebnis, dass der Kauf dieses Pferdes mit einem „Kissing-Spines-Syndrom“ mit einem erheblichen Risiko verbunden sei. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Engstände der Dornfortsätze dazu führen, dass bei dem Pferd in Zukunft Probleme auftreten könnten. Der Kauf eines derartigen Pferdes sei jedenfalls für einen Käufer risikobehaftet.
Aufgrund dieser Feststellung des Sachverständigen gelangte das Landgericht Münster zu dem Ergebnis, dass das verkaufte Pferd mangelhaft im Sinne des § 434 BGB ist. Aus der Sicht der Käufer ist es zu begrüßen, dass das Gericht die Entscheidung unter anderem damit begründet hat, dass ein Mangel des Pferdes bereits dann vorliege, wenn bei diesem eine Erkrankung diagnostiziert werde – sei es auch nur in leichter Form -, die aber jederzeit dazu führen könne, dass das Pferd in seiner eigentlichen Nutzung beeinträchtigt ist. Schon dieses konkret bestehende Risiko stelle einen Mangel dar, weil ein Pferd mit engen Abständen zwischen den Dornfortsätzen der Brustwirbelsäule von einem üblichen Reitpferd in der Beschaffenheit negativ abweiche.
Bei einem Pferd, bei dem dieser Engstand der Dornfortsätze nicht vorliegen würde, wäre das Risiko einer Beeinträchtigung der Nutzung eben nicht gegeben. Auch dem Einwand des Sachverständigen, dass das Pferd zur Zeit geeignet sei, als Hobbyreitpferd oder Spring-Dressurpferd eingesetzt zu werden, wird vom Landgericht Münster mit dem Argument zurückgewiesen, dass damit lediglich der derzeitige Zustand beschrieben werden könne. Durch das „Kissing-Spines-Syndrom“ könne sich aber jederzeit das Risiko der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Pferdes verwirklichen, so dass damit auch die Einsatzfähigkeit der Stute beeinträchtigt werde. Bereits diese durchaus realistische Wahrscheinlichkeit reiche nach der Auffassung des Landgerichts für die Annahme eines Mangels aus.
Damit hat das Landgericht Münster quasi neuen Boden betreten. Bislang wurde argumentiert, der Mangel des Pferdes müsse sich tatsächlich realisiert haben. Das Pferd müsse also lahm gehen, und zwar nicht nur kurzzeitig und möglicherweise immer wieder, sondern die Lahmheit müsse ein prägendes Charakteristikum des Pferdes sein. Diese Sichtweise hat das Landgericht Münster nicht gelten lassen, vielmehr hat es auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – bekannt geworden als sogenannte „Verdachtsrechtsprechung“ – bereits das quantifizierbare Risiko für eine sich möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich manifestierende dauerhaft eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Pferdes als Mangel bereits ausreichen lassen. Damit liegt ein Mangel im Sinne des neuen Pferdekaufrechts bereits dann vor, wenn normabweichende Veränderungen nachgewiesen werden konnten, die das Risiko in sich tragen, dass zu einem späteren Zeitpunkt sich dieses Risiko tatsächlich realisiert, also z.B. das Pferd nicht mehr im Reitsport eingesetzt werden kann.
Weiteres Urteil zum Kissing Spines Syndrom
Von Rechtsanwältin Iris Müller-Klein | Profilseite / Rechtsberatung
(Pferderecht-Wissen.de) Mit Urteil vom 9.4.09 entschied das Landgericht Münster, dass ein unternehmerisch tätiger Verkäufer ein Pferd wegen des Vorliegens eines Kissing Spines Syndroms zurücknehmen muss. Unmittelbar nach Übergabe stellte sich heraus, dass das Pferd erhebliche Widersetzlichkeiten zeigte und praktisch unreitbar war.
Beim Röntgen ca. 9 Monate nach Übergabe stellte sich heraus, dass ein Engstand der Dornfortsätze im Sinne von Kissing Spines vorlag. Ob aber zum Zeitpunkt der Übergabe bereits ein Kissing Spines Syndrom vorlag, konnte der Sachverständige auch anhand von Röntgenbildern, die einen Monat vor dem Kauf gefertigt wurden, nicht bestätigen.
Daraufhin hörte das Gericht ergänzend den Vor-Vorbesitzer des Pferdes, welcher die erheblichen Rittigkeitsprobleme bestätigte. Er bekundete, davon ausgegangen zu sein, dass der Händler das Pferd zum Schlachter geben würde, da er über die Problematik aufgeklärt hatte. Wie das Pferd dann zu seinem Verkäufer und nicht zum Schlachter kam, konnte nicht mehr nachvollzogen werden.
Die Aussage des Vorbesitzers liess das Gericht ausreichen und nahm an, dass bereits zum Zeitpunkt der Übergabe ein Mangel vorhanden war. Der Klage wurde daher vollumfänglich stattgegeben. Erwähnenswert ist, dass das Landgericht Münster monatliche Unterhaltungskosten von 200 € bei der Haltung eines Pferdes am Haus für angemessen erachtet.
(LG Münster 2009 – Urteil Kanzlei Müller-Klein)
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Guten Tag,
Ich habe vor einem Monat ein Pferd in Deutschland gekauft (und in die Schweiz gebracht), erst 6 Jahre jung und es machte einen ok Eindruck, der Verkäufer hat bestätigt dass es gesund ist und nie krank war. Allerdings war er von Anfang an etwas steif, und als auch der Osteopath und Training nichts geholfen hat, habe ich den Rücken röntgen lassen. Weil das Pferd wehrte sich beim Reiten oft wehement, mit bocken und steigen, und war sehr unwillig beim satteln und reagierte am Rücken mit schmerzbefinden. Jetzt hat sich auf den Röntgenbilder gezeigt dass es eine sehr starke Kissing Spines hat, der Tierarzt hat gesagt das Pferd hat permanent Schmerzen weils so schlimm ist, und könne kaum geritten werden. Kann ich mit der Diagnose eine Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen?
Vielen Dank.
Hallo habe vor knapp 2 Wichen ein Pferd 5 Jahre gekauft! Aussage des Verkäufers kann sein das er bei aufsteigen los rennt aber händelbar ! Er sollte für meine 11 jähre Tochter sein eine Woche nach dem er hier war hat meine Tochter versucht ihn zu reiten natürlich vorher ordentlich ablongiert!! Er ist los gerannt wie ein Geistes kranker sie hatte gar nicht die Chance richtig auf zu sitzen und hat einen massiven Abflug gemacht ! Gestern das gleiche und nicht nur meine Tochter sondern auch eine Bekannte und zwar so das der Abend im KH endete ! Was soll ich tun könnte es Kissing sein?
Hallo,
eine Ferndiagnose ist sicherlich immer sehr schwierig – sie sollten sich definitiv den Rat eines Tierartztes einholen und im Falle falscher Verkaufsversprechen zwecks Rückabwicklung des kaufvertrages einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.