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Von Rechtsanwalt Stephan Pahl | Profilseite / Rechtsberatung

Rechtsanwalt Stephan Pahl

Rechtsanwalt Stephan Pahl

Zur Haftung des Tierhalters

…im Spannungsfeld zwischen typisch tierischem Verhalten und Sorgfaltspflichten des Tierhalters.

(Pferderecht-Wissen.de) Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.06.2009 – VI ZR 266/08 soll zum Anlass genommen werden, auf einen Sachverhalt hinzuweisen, der in bisweilen zum Nachteil des Tierhalters übersehen wird. In § 833 Satz 2 BGB gibt es eine Haftungsprivilegierung für den Halter von Nutztieren. Dort heißt es: „Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung der Sorgfalt entstanden sein würde.“

Es gibt eine Reihe von Fällen, in denen nicht ein „typisch tierisches Verhalten“ für den Schadenseintritt verantwortlich ist, sondern allein ein Fehlverhalten des Tierhalters selbst, der seinen Sorgfaltspflichten nicht genügt hat. In derartigen Fällen haftet der Tierhalter nicht nach § 833 BGB (als Tierhalter) sondern nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften wegen seines (menschlichen) Fehlverhalten. Ein derartiges Fehlverhalten kann beispielsweise darin bestehen, dass der Tierhalter die Boxentür einer Pferdebox zu schließen vergisst. Trottet das Pferd dann aus der Box und läuft auf eine Straße, so kann es sein, dass den Tierhalter allein aufgrund eigenen fahrlässigen Verhaltens die Haftung trifft. Gleiches gilt beispielsweise, wenn ein Reiter sein Pferd nutzt, um Fußgänger zu erschrecken oder abzudrängen, die dabei zu schaden kommen.
 
In den meisten Fällen aber wird der Tierhalter eines Luxustieres allein wegen dessen schädigenden Verhaltens zum Schadenersatz verpflichtet sein. Luxustiere sind zum Beispiel das Freizeit-Reitpferd oder der Familienhund. Richten diese Tiere einen Schaden an, haftet der Tierhalter wenn ein arteigenes (typisch tierisches) Verhalten des Tieres ursächlich für den Schadenseintritt war. Sofern das Tier versichert ist kommt hierfür dann die Tierhalterhaftpflichtversicherung auf.

Anders verhält es sich in den Fällen des oben zitierten § 833 Satz 2 BGB. Handelt es sich bei dem schädigenden Tier um ein Nutztier (typischerweise Kuh, Schwein, Huhn etc.) oder um ein „Berufstier“ (zum Beispiel Jagdhund des Försters, Hütehund des Schäfers, eine zu Erwerbszwecken gehaltene Zuchtstute, etc.) so ist eine Haftung des Tierhalters ausgeschlossen, wenn der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die verkehrsübliche Sorgfalt beachtet hat oder der Schaden auch bei Beachtung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

Im eingangs zitierten Urteil hat der BGH zum einen entschieden, dass die Haftungsprivilegierung für den Halter von Nutztieren nach wie vor zeitgemäß und gültig ist und keine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber Haltern von Luxustieren darstellt. Zudem hat der BGH klargestellt, dass bei der Überprüfung der Sorgfaltspflicht auf das Verhalten des Nutztierhalters im gesamten Geschehensablauf abzustellen ist. Im gerichtlich entschiedenen Fall waren aufgrund einer Panikreaktion 5 Rinder einer Herde aus der umzäumten Weide ausgebrochen. Eines von ihnen war auf eine Straße gelaufen und hatte dort einen Verkehrsunfall verursacht.
 
Der BGH stellt klar, dass bei der Überprüfung der Frage, ob der Landwirt die verkehrsübliche Sorgfalt hatte walten lassen, nicht nur überprüft werden muss, ob die Umzäunung der Weide ordnungsgemäß war und ob die Weide eine ordnungsgemäße Größe für die Menge der dort gehaltenen Tiere hatte sondern auch – dies ist neu – ob der Landwirt den Schadenseintritt dadurch hätte verhindern können, dass er nach dem Ausbrechen der Tiere sofort bei der Polizei angerufen und diese die Straßen in der Umgebung gesichert hätte. Da im vorliegenden Fall die Instanzgerichte insbesondere zu letzterem Punkt keine Feststellung getroffen hatten, hat der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

Die Haftungsprivilegierung führt dazu, dass der Nutztierhalter, der sich verkehrsgerecht verhalten hat – anders als der Halter eines Luxustieres – für den Schaden des von ihm gehaltenen Tieres nicht einzustehen braucht. So haftet beispielsweise ein Reitverein für die von seinen Pferden aufgrund typisch tierischem Verhaltens angerichteten Schäden, wenn er diese Tier seinen Mitgliedern unentgeltlich zum Reiten zur Verfügung stellt. Hält er die Tiere hingegen, um damit Reitunterricht zu geben und aus dem Reitunterricht Einkünfte zu erzielen, so kann seine Haftung nach § 833 Satz 2 BGB beschränkt oder sogar ausgeschlossen sein.

 


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Rund um den Komplex der Haftung eines Tierhalters

Von Rechtsanwältin Iris Müller-Klein | Profilseite / Rechtsberatung

Rechtsanwältin Iris Müller-Klein

Rechtsanwältin Iris Müller-Klein

(Pferderecht-Wissen.de) Grundsätzlich haftet der Tierhalter verschuldensunsabhängig für Schäden, die andere durch sein Pferd erleiden. Dienen die Pferde allerdings dem Erwerb des Pferdehalters, kann sich der Pferdehalter entlasten. Der Geschädigte bekommt dann gar nichts, kann der Tierhalter beweisen, dass ihn kein Verschulden am Schadeneintritt trifft.

Häufig reitet der (private) Tierhalter sein Pferd nicht allein, sondern gemeinsam mit Dritten. Es fragt sich daher, ob und wie der Tierhalter für durch sein Pferd verursachte Schäden dem Reiter haftet.

 

Haftung bei Reitunfall der Reitbeteiligung

Bei einer Reitbeteiligung ist zunächst zu prüfen, ob der Tierhalter ausreichend versichert ist. Da eine Reitbeteiligung in der Regel gegen Entgelt das Pferd mit(-)reitet, ist dieses Risiko häufig extra zu versichern. Vor Aufnahme einer Reitbeteiligung sollte daher der Versicherungsschutz der Tierhalterhaftpflicht überprüft werden.

Kommt es zu einem Reitunfall wendet die in Anspruch genommene Tierhalter-Haftpflichtversicherung häufig ein, der die Reitbeteiligung Ausübende sei Tierhüter, daher komme allenfalls eine anteilige Haftung in Betracht. Tierhüter ist, wer durch Vertrag die Aufsicht über das Pferd, wenn auch nur vorübergehend, übernimmt. Ob dies bei einer Reitbeteiligung der Fall ist, muss einzelfallbezogen entschieden werden. Der „Mitreiter“ wird erst dann zum Tierhüter, wenn er die Aufsichtsführung über das Tier innehat, indem er selbständig über Maßnahmen zur Steuerung des Tieres zu wachen hat. Dies ist nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Frankfurt aus dem Jahr 2009 dann der Fall, wenn ein Reiter selbständig über die Nutzung des Pferdes bestimmen kann, d.h. eigenständig entscheiden kann, was er mit dem Pferd in welchem Umfange macht.

Das OLG Frankfurt lehnte die Tierhütereigenschaft einer Reitbeteiligung, der es untersagt war, allein mit dem Pferd ins Gelände zu gehen, ab. Im Ergebnis musste die Tierhalterin daher 100 % des Schadens übernehmen, den die Reitbeteiligung beim Sturz vom Pferd erlitten hatte. Grundsätzlich muss eine als Tierhüter anzusehende Reitbeteiligung im Schadenfall den Nachweis erbringen, dass die Aufsichtspflicht über das Pferd ordnungsgemäß ausgeführt wurde und es dennoch zum Schadeneintritt kam. Dies ist ein kleiner Unterschied, zu einem „normalen“ Fremdreiter, der ohne Tierhüter zu sein, das Pferd reitet. Hier greift die verschuldensunabhängige Tierhalterhaftung ein, wobei ein etwaiges Mitverschulden des Reiters schadenmindernd zu berücksichtigen ist.

Im Rahmen des zu berücksichtigenden Mitverschuldens an einem Reitunfalls ist bei Minderjährigen zu berücksichtigen, dass hier nur dann eine Haftung in Betracht kommt, wenn der Minderjährige die erforderliche Einsichtsfähigkeit besaß, um zu erkennen, dass das zum Schadeneintritt führende Verhalten falsch war. Dies ist ebenfalls einzelfallbezogen zu entscheiden.

 

Haftung beim Probereiten eines Pferdes

In Rechtsprechung und Literatur wird vereinzelt angenommen, dass der Reiter auch hier Tierhüter im Sinne von § 834 BGB ist. Im Rahmen von § 834 BGB wird das Verschulden des Tierhüters am Schadenseintritt, wie ausgeführt, vermutet. Der Tierhüter muss dann beweisen, dass es trotz ordnungsgemäßer Aufsicht über das Pferd zum Schaden gekommen ist. Versicherungen kommen daher häufig bei einem Unfall beim Probereiten mit der Argumentation, der Reiter sei auch Tierhüter gewesen, zu einer 50:50 Haftung. Tierhüter ist nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch allein derjenige, der vertraglich die Aufsichtsführung über das Pferd übernommen hat. Aufsichtsführung bedeutet Übertragung der selbständigen allgemeinen Gewalt und Aufsicht über das Tier, d.h. der Tierhalter muss vollständig seine Gewalt über das Tier aufgeben.

Im Falle eines Proberitts liegt schon gar keine vertragliche Vereinbarung der Übertragung der Aufsicht. Die blosse Überlassung des Pferdes reicht nicht aus, um die Tierhüterstellung zu begründen. Dies gilt erst recht, wenn der Tierhalter beim Proberitt anwesend ist, was in der Regel der Fall ist. In diesem Fall bleibt der Tierhalter der Aufsichtsführende, so dass er für einen beim Proberitt eingetretenen Schaden grds. vollumfänglich haften muss. Ggf. kann ein Mitverschulden des Geschädigten, in Abzug gebracht werden, sofern der Probereitende grobe Reitfehler macht und so den Schadeneintritt provoziert.

Das Landgericht Münster musste entscheiden, ob einem Reiter, der ein Pferd beim Probereiten mit treibenden Hilfen zwang, über einen Gartenschlauch zu gehen, woraufhin das Pferd bockte und den Reiter abwarf, ein Mitverschuldensvorwurf zu machen ist. Die Reiterin erlitt bei diesem Unfall erhebliche Verletzungen und kann nur noch in geringem Umfange arbeiten. Das Gericht kam hier, nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, zu einer Mitverschuldensquote von 2/3 zu Lasten der Geschädigten. Die hinter dem Tierhalter stehende Versicherung musste daher 1/3 des gesamten Schadens, d.h. Schmerzensgeld, nicht erstattete Arztkosten, Erwerbsschaden etc. tragen.

 

Handeln auf eigene Gefahr

Anders zu beurteilen ist der Fall, dass ein Reiter ein Pferd reitet, um seine Reitkunst zu beweisen. So beispielsweise, wenn der Halter mit seinem Pferd nicht zurechtkommt. Setzt sich ein Dritter auf dieses Pferd, um dem Halter zu zeigen, wie es richtig geht und kommt dabei zu Schaden, ist nach ständiger Rechtsprechung kein Fall der Tierhalterhaftung gegeben. Diese bewusste Selbstgefährdung ist nicht von der verschuldensunabhängigen Haftung des Tierhalters erfasst, so dass der Geschädigte im Ergebnis keinen Schadensersatz erhält.

 

 


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